Siedler

Grundlage der Siedlergemeinschaften

1926: Bauvorhaben - Siedlungsgelände der ehemaligen Siedlungsgesellschaft "Neudeutschland"
1926: Bauvorhaben - Siedlungsgelände der ehemaligen Siedlungsgesellschaft "Neudeutschland"

Nach dem Ersten Weltkrieg ist die Wohnungs- und Ernährungsnot besonders groß. In Anknüpfung an Vorkriegsprojekte werden die Gründung von Baugenossenschaften und der Kleinsiedlungsbau staatlich gefördert: Artikel 155 Weimarer Reichsverfassung und Reichssiedlungsgesetz. Auf diesen Grundlagen entstehen zwischen den Kriegen mehrere Siedlergemeinschaften im Stadtteil. Alle leiden unter den wirtschaftlichen Problemen jener Jahre.

 

Wasserprobleme auf dem Jungfernkopf

Um 1917 gab es für die Grundstücke auf dem Jungfernkopf keine geregelte Wasserversorgung. Neben Regenwassersammlung musste Trinkwasser von der Jungfernquelle oder am Bahnwärterhaus an der Steffensbreite geholt werden. Tiefer liegende Grundstücke hatten Brunnen. Eine  Verbesserung ergab sich um 1936, die Wasserversorgung übernahmen die Städtischen Werke. Ein neues Wasserwerk im Bereich der Nordstadt belieferte ab 1938/39 den Jungfernkopf. Am Kiefernweg entstand dafür 1940 eine Aufbereitungsanlage, Stilllegung 1975, Abriss um 1986.  In den 1970er Jahren entstand dann dort ein moderner Wasserbehälter.


Siedlergemeinschaft Jungfernkopf

Die Besiedlung unseres Stadtteils begann 1917 am Jungfernkopf, dem Gebiet zwischen dem Wäldchen und Vellmar. Der Architekt Walpert kaufte das ehemalige Huteland für die „Gemeinnützige Kleinhaus Baugenossenschaft Cassel“, die 1918 aktiv wurde. Ab den 1920er Jahren wurden erste Häuser gebaut, 1927 eine Gaststätte eröffnet. In den 1930er Jahren wurden Wasser und Elektrizität angelegt. Viele Häuser wurden im Krieg zerstört, nach Kriegsende wurde die Siedlergemeinschaft neu gegründet, der Wiederaufbau begann. In den 1960er Jahren wurden die Straßen an die Stadt Kassel verkauft.

 

Siedlergemeinschaften im Nordend

Zwischen den Kriegen bildeten sich im Nordend zwei Siedlergemeinschaften (SG): die SG Neudeutschland und der Kleinsiedlerverein Nordend e.V. Nach der Neugründung im Jahr 1948 entwickelte die gemeinsame SG Nordend ein reges Vereinsleben, das gut dokumentiert ist.

 

Wegmanns Obstpark  - Bebauung

Wegmann starb 1912,  der Obstpark blieb im Familienbesitz.  In den 1930er Jahren wurden bereits Flächen verkauft und erste Häuser gebaut. Neben der  Siedlergemeinschaft  Nordend,  gründete man  1954 die Siedlergemeinschaft  Wegmanns-Obstpark, der  Gartenbauverein schloss sich ihr an, beide traten später der Interessengemeinschaft Kassel-Jungfernkopf bei. Im Wohnbezirk entstanden ab den 1950er Jahren die Kirche, Schule, Kindergarten sowie Geschäfte und Kleinbetriebe. Vorhanden sind  nur noch die  sozialen Einrichtungen. Heute befinden sich kleine Geschäftszentren im Gebiet Vellmar-West und am Ziegenberg.


Der Eisenbahner-Kleingartenverein am Frasenweg

Zur Erweiterung ihres in Kassel bereits bestehenden Angebots an Kleingärten für Bahnbedienstete hat die Reichsbahn 1932 ein weiteres Gelände im Nordend ausgewiesen. Kleingärten sollten damals und in den Nachkriegsjahren den Lebensunterhalt ihrer Pächter verbessern. Die 1960 erbaute Vereinsgaststätte "Der Laubenpieper" ist heute noch ein wichtiger Treffpunkt im Stadtteil.

 

Haus Nordend

Kaffee Nordend in den 1930er Jahren
Kaffee Nordend in den 1930er Jahren

In der damaligen Nordendstraße 5 (später Schenkebier Stanne) wird 1927 ein Zweifamilienhaus von Familie Paul (sen.) Rahmann erbaut und bezogen. Im Erdgeschoss eröffnet Frieda Rahmann, als gelernte Köchin, das „Kaffee Nordend“. Obst für Kuchen und Torten liefert der große Garten mit seinen 54 Obstbäumen. Ab 1936 stellt Frieda Rahmann die Gasträume der evangelischen Auferstehungskirche für Gottesdienste zur Verfügung. Der Zweite Weltkrieg ändert alles. Das Dach muss ersetzt werden, die Bombentrichter im Garten werden aufgefüllt. In den Folgejahren prägt jede Generation Haus und Garten. Bis heute wird das „Haus Nordend“ von der Familie Rahmann bewohnt, inzwischen in der fünften Generation.

 

Kriegsjahre 1939 bis 1945

An der Wegmannstraße
An der Wegmannstraße

Die neuen Siedlungen im Nordwesten Kassels hatten sich bis zum Kriegsbeginn deutlich ausgeweitet, Wege waren provisorisch befestigt, Strom- und Wasserleitungen verlegt. Die Mobilmachung  betraf auch viele Familien am Jungfernkopf. Da Kassel auch ein Rüstungszentrum war, begannen 1940 die Bombardierungen. Zum Schutz baute man in den Hang Erdbunker, auf Privatgrundstücken befanden sich Unterstände. Der kanalisierte Teil des  Geilebachs unter dem Ausbesserungswerk  diente ebenfalls als Schutzraum. Die schwersten Angriffe erfolgten zwischen 1943 und 1945, die auch in den Siedlungsgebieten zu  Zerstörungen führten. Neben anderen Einschränkungen des täglichen Lebens, konnten Versorgungsengpässe durch die Selbstversorgung aus den Gärten weitgehend vermieden werden. Der Krieg hatte in den vier Siedlungen  90 Häuser zerstört oder beschädigt; 35 Menschen kamen bei den  Angriffen ums Leben, 71 Männer kehrten nicht zurück. Die folgenden Jahre waren stark durch seelische und materielle Not geprägt.

 

Die Interessengemeinschaft Kassel-Jungfernkopf

Der Vorstand führt den Festzug an
Der Vorstand führt den Festzug an

Bevor 1981 in Kassel die Stadtteile eingerichtet wurden, wurden die Interessen der acht Stadtbezirke in so genannten Verwaltungsausschüssen gebündelt. Der Jungfernkopf war Harleshausen und Rothenditmold zugeordnet, fühlte sich dort aber nicht angemessen vertreten. Deshalb wurde auf Initiative von August Bechstein am 26. Mai 1950 die Interessengemeinschaft des Stadtgebietes Jungfernkopf gegründet. 1953 forderte sie von der Stadt Kassel einen eigenen Verwaltungsausschuss. Es ging ihr dabei um mehr Beachtung und Unterstützung durch die städtische Verwaltung. Durch ihre Arbeit konnte sie manche Verbesserung erreichen. Ein großes Verdienst bestand in der Durchführung des seit 1953 über viele Jahre abgehaltenen Blütenfestes, das viel zum Zusammenhalt des gesamten Wohngebiets beigetragen hat. Mit der Installation des selbstständigen Stadtteils wurde das Ziel erreicht.

 

Die Siedlung am Oberen und Unteren Nordendweg

Die Bebauung im Nordend, im Gleisdreieck nördlich der Schenkebier Stanne, nahm 1960 mit dem Bau von Siedlungshäusern für 21 Familien feste Gestalt an. Dort entstanden unter der Regie der Glaube und Tat Selbsthilfe Betreuungswerk GmbH und mit erheblichen Eigenleistungen der Bauherren Reihenhäuser in zwei Straßen.